Eingeschneit und
festgefroren: Als der Norden im Schnee versank
Ihr
Lieben, wisst Ihr noch, was Ihr vor 40 Jahren zu dieser Zeit gemacht habt?
Ich
weiß es noch ganz genau, wie es mir zu der Zeit ging, denn 78/79 war der
schlimmste Winter seit Jahrzehnten.
Wir
lebten damals in Osterwald, einem winzigen Bergdorf am Rande des Deisters. Ich
war schwanger, meine Tochter 5 Jahre alt, meine Oma 85, bettlägrig, Pflegefall,
mein Partner täglich im Außendienst (Büromaschinen) unterwegs.
Nach
heftigen Schneefällen hatte zu Weihnachten getaut, doch fing es dann erneut an
zu schneien. Im Grunde beunruhigte mich der Schnee nicht, denn ich hatte noch
mehr als 3 Monate Zeit.
Oft
dachte ich in der Zeit an die Flüchtlinge 1945, die mit Sack und Pack, jung und
alt, egal ob schwanger, behindert, krank durch Schnee und Eis mussten und dort
viele ihr Leben lassen mussten. Hunger war ihr Begleiter, der sie auch
dahinraffte.
Was
sollte ich also jammern? Ich hatte es warm, frische Luft bekam ich reichlich
auf unserer überdachten Terrasse, denn an Spaziergänge war nicht mehr zu
denken. Die Wege alle steil und rutschig und Auto fahren wollte ich auch nicht,
weil die Straßen ungenügend geräumt waren.
Der
Spielkreis hatte Weihnachtsferien. Vorräte hatten wir genug und mein Partner
fuhr am 29.12. 78 noch mal nach Hannover in sein Büro bei Olivetti, weil ein
Kunde noch vor Jahresende einen Tonertausch angefordert hatte und die Techniker
alle schon im Jahreswendeurlaub waren.
Was
in und um Hannover passierte, erfuhr ich später.
Unter
der Schneeschicht hatte sich Eis gebildet und er war nach einem Kundenbesuch
unterwegs durch Dörfer Richtung Isernhagen. Es war früh dunkel geworden und
schneite und schneite. Die Autokarawane schob sich im Schritttempo durch den
Schnee und da passierte es. Unaufhaltsam rutschte sein Auto, trotz Allrad, auf
etwas abschüssiger Strecke in den Graben (nicht nur seins landete dort). Nichts
ging mehr.
Ich
wartete bereits zu Hause mit dem Abendessen, er kam nicht. Keine Nachricht. Ich
wollte im Büro anrufen, keinen Mucks gab das Telefon von sich. Der Schnee hatte
auch an den Telefonkabeln Schaden angerichtet.
Mit
meiner Nachbarin aus dem Obergeschoss holte ich meine Oma in unser Wohnzimmer,
denn ihre 2 Zimmer mit Bad hatten einen separaten Eingang, den ich über meine
Terrasse gehend erreichen konnte. Schneeverwehungen verwehrten mir aber auch da
schon den Zugang, sodass wir erst mal wieder schaufeln mussten. Aber dann war
alles gut. Sie war glücklich, bei uns zu sein, wir spielten Mensch-ärger-dich-nicht.
Die
Bilder, die im Fernsehen zu sehen waren, stimmten nicht gerade fröhlich.
Besonders schlimm war es wohl in Schleswig Holstein. Abwechselnd liefen
Fernseher oder Radio, um keine Nachrichten zu verpassen. Was da zu hören und zu
sehen war, machte ganz schön unruhig.
Immer
wieder lauschte ich, doch nichts…kein Auto war zu hören, kein Schneeschieber
gab einen Ton von sich.
Im
Kinderzimmer hatte ich mehrere Betten, da mein Partner 2 Söhne aus 1. Ehe
hatte. Die waren aber wegen des Wetters nicht, wie vorgesehen, am 2.
Weihnachtstag mit Oma und Opa (meinen Schwiegereltern) gekommen. So konnte meine
Oma prima bei meiner Tochter schlafen. Ich blieb wach.
Gegen
Morgen fielen mir dann die Augen zu, doch immer wieder schreckte ich hoch.
Nichts.
Nun
kam im Laufe des Tages doch ein wenig die Sorge auf, dass etwas passiert sein
könne. Auch, dass vielleicht das Baby zu früh kommen könne. Na gut, meine
Nachbarin war eine sehr praktische Frau von Mitte vierzig und hatte drei
Kinder. Sie hatte mir ohnehin Hilfe angeboten. So war ich dann ganz ruhig, denn
meine Tochter wurde pünktlich geboren, warum sollte es bei dem 2. Kind anders
sein.
Der
Tag verging, kein Auto bewegte sich weit und breit. Doch gegen Spätnachmittag erschien
dann der Vermisste und berichtete von den Zuständen, die überall herrschten.
Er
hatte sich nach seinem Abrutschen zu Fuß auf den Weg zum nächsten Dorf gemacht,
wo er dann einfach am ersten Gehöft klingelte, superfreundlich aufgenommen und
bewirtet wurde. Nachtlager bekam er, Telefon ging auch dort nicht, so konnte er
sich nirgends melden. Es war noch die gute alte handyfreie Zeit. Ob es damit
gegangen wäre, ist dann auch noch eine Frage, die ich mir heute stelle.
Am
nächsten Morgen nach einem guten, ausgiebigen Landfrühstück nahm der Bauer
seinen Trecker, zog das Auto, das durch das weiche Schneebett keinerlei Schaden
zeigte, nach dem Freischaufeln aus dem Graben, doch das Vorankommen auf den
Straßen war dann wie eine Weltreise.
Hier
war gesperrt, dort Autoschlangen oder Autos, die feststeckten. Doch schrittweise
ging es immer mal wieder weiter und nun war alles gut.
Die
Jahreswende war schnee- und eisreich und es dauerte, bis sich alles soweit
wieder normalisierte, dass man die Straßen wieder einigermaßen benutzen konnte.
Meine
Tochter wurde täglich von der Oma des Nachbarkindes mit zum Spielkreis
genommen, da ich durch den Schnee nicht mehr bergauf kam…keuch und nach einem
Sturz wollte ich es auch nicht mehr wagen.
Ich
hatte mich inzwischen mit allen möglichen Erste-Hilfe-Sachen eingedeckt, Krankenhaustasche
war gepackt…man konnte ja nie wissen…
Am
13. Februar 1979 – die Verwehungen der Ereignisse sechs Wochen zuvor waren noch
nicht abgetaut – kam es erneut zu starken Schneefällen und Schneeverwehungen
mit ähnlich gravierenden Auswirkungen.
Am
15. Februar fuhr mein Partner ins Ruhrgebiet, sein jüngerer Sohn lag im
Krankenhaus. Ich hatte keine Bedenken, dass er einige Tage bei seinen Eltern
blieb, um bei seinem Kind zu sein, das zwei schwere Operationen hatte, mir ging
es gut. Mein Bruder lebte mit Familie 4 km entfernt und wollte sich kümmern,
wenn nötig. Aber auch die Nachbarn waren für uns da.
Schon
am nächsten Tag bekam ich heftigste Nierenkoliken (wie ich meinte, denn ich
hatte schon mal Nierensteine gehabt). Ich kochte mir Tee und ging immer auf und
ab. Die Wohnung hatte 120 qm, da konnte man gut in Bewegung sein. Meine
Nachbarin kochte für Oma und Töchterlein mit, weil es mir von Tag zu Tag
schlechter ging und drängte mich, zum Arzt zu gehen, sie würde sich zu Hause um alles kümmern.
Am
20.2. fuhr mich dann mein Bruder zum Frauenarzt nach Hildesheim, der mir dann
erklärte, ich hätte wohl Wehen. Der Wehenschreiber bestätigte das. Bei meiner
Tochter hatte ich wenig Wehen und nur durch den Bauch, also war dies etwas ganz
Neues.
Also
ab in die Klinik, wo dann mein Sohn am 22.2.79 zur Welt kam…zu früh, aber er wurde sofort dementsprechend versorgt...
Ja,
das war so und sicher erinnert Ihr Euch nun an ähnliche Erlebnisse.